Rechtsprechung
- Wohnungseigentumsrecht |
- 11. Oktober 2022
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, das kaufrechtliche Mängelrechte der Erwerber von Wohnungseigentum wegen einer Schadstoffbelastung des Grundstücks und deren gerichtliche Durchsetzung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer betrifft.
Nach der Reform des WEG-Rechts stellt sich nund ie frage, ob die wohnungseigentümergemeinschaft 8weiterhin) prozessbefugt ist.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft zur Prozessführung befugt. Bei den geltend gemachten Nacherfüllungsansprüchen der einzelnen Wohnungseigentümer handele es sich um Rechte im Sinne von § 9a Abs. 2 WEG, die eine einheitliche Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft erforderten. Jedenfalls habe die Klägerin die - nach Kaufrecht zu beurteilenden - Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer durch zwei Beschlüsse nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF an sich gezogen und sei daher prozessführungsbefugt.
Der Bundesgerichtshof wird zunächst klären müssen, ob die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer fortbesteht, nachdem die gesetzliche Regelung der sogenannten "Vergemeinschaftung durch Beschluss" in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF bei der Reform des Wohnungseigentumsrechts ersatzlos entfallen ist; aus dieser Bestimmung wurde bislang abgeleitet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Mängelrechte aus individuellen Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen kann. Insoweit ist auch das Verhältnis zu der nunmehr geltenden Regelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG zu bestimmen. Sollte die Prozessführungsbefugnis bejaht werden, wird in der Sache voraussichtlich zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen Altlasten bei einem Grundstückskaufvertrag einen Sachmangel darstellen.
BGH,Verhandlungstermin am 30. September 2022, V ZR 213/21
Quelle: Pressemitteilung Nr. 136/2022 vom 30. September 2022
- Mietrecht |
- 06. März 2022
Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 9. November 2021 entschieden.
Die Klägerin erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung (sog. Milieuschutzsatzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun, dass der Beklagte sein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben dürfe.
Nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 70/2021 vom 09.11.2021
https://www.bverwg.de/de/pm/2021/70 und https://www.bverwg.de/de/4C1.20
- Mietrecht |
- 22. Februar 2022
Der BGH hat mit seiner neuesten Entscheidung den Streit um die Umlagefähigkeit der Kosten für die Fällung von morschen und nicht mehr standfesten Bäumen entschieden. Nach Auffassung des Gerichts gehören diese Kosten zu den Kosten der Gartenpflege im Sinne von § 2 Nr. 10 BetrKV.
Bei der Entfernung morscher oder abgestorbener Pflanzen handele es sich nicht um - nicht umlagefähige - Instandhaltungs- oder Instandsetzungskosten nach § 1 Abs. 2 BetrKV, sondern um Betriebskosten im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrKV. Denn die Entfernung morscher oder abgestorbener Pflanzen einer Gartenanlage betreffe wiederkehrende Arbeiten. Erforderlich für die Einordnung als Betriebskosten sei nicht, dass die Kosten wiederkehrend im Sinne eines starren Turnus anfielen. Ausreichend sei vielmehr, dass sie einem typischen Kreislauf unterlägen. Hinzu komme, dass gemäß § 2 Nr. 10 BetrKV in Bezug auf die Gartenpflege ausnahmsweise auch Instandsetzungskosten ansetzbar seien, nämlich diejenigen entsprechender Neubepflanzungen, soweit Pflanzen, Sträucher und Bäume durch Alter, Witterungs- oder Umwelteinflüsse abgängig geworden seien. Dasselbe gelte daher erst recht für das Fällen und den Abtransport kranker oder morscher Bäume einschließlich der Anpflanzung junger Bäume.
- Mietrecht |
- 12. Januar 2022
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sieht vor, bis Juni ein Stufenmodell einzuführen, dass Vermieter an den Heizkosten der Mieter beteiligt. Sollte man das nicht schaffen, sieht der Vertrag eine pauschale hälftige Teilung der Kosten vor. Das wäre die schlechteste Lösung, daher fordert Haus & Grund Deutschland jetzt schnell einen Entwurf für ein Stufenmodell von der Bundesregierung.
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- Mietrecht |
- 12. Januar 2022
BGH, Urteil vom 12. Januar 2022 - XII ZR 8/21
Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der COVID-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.
In dem bisherigen Prozessverlauf hatte das Landgericht den Mieter zur Zahlung der vollständigen Miete verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den Mieter nur zur Zahlung der Hälfte der vereinbarten Miete verurteilt. Infolge des Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung auf Grundlage der Allgemeinverfügungen sei - nach Ansicht des OLG - eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.
Auf die Revisionen der Klägerin, die nach wie vor die volle Miete verlangt, und der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.
Die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 BGB zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, ist nicht durch die für die Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2022 geltende Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen. Nach Auffassung des BGH hat diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut und ihrem Gesetzeszweck allein eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters zum Ziel und sagt nichts zur Höhe der geschuldeten Miete aus.
Die auf den Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums beruhende Betriebsschließung hat jedoch nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt, weshalb das Oberlandesgericht zu Recht eine Minderung der Miete nach § 536 Abs. 1 BGB abgelehnt hat. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies zwar einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten erfüllt diese Voraussetzung nicht. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die Allgemeinverfügung wird jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Das Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck der Räumlichkeiten zur "Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs". Der Mieter konnte nicht davon ausgehen, dass die Vermieterin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte.
Aus dem Urteil des BGH ergeben sich nun folgenede allgemeingültige Richtlinien:
Dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen kann im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen.
Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Zwar geht die die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters bei einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Es bedeutet aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann.