(BGH, Urteil vom 10.10.2014, Az.: V ZR 315/13)
WEG, § 23 Abs. 1

a) Die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht wird materiellrechtlich u.a. durch unentziehbare, aber verzichtbare Mitgliedschaftsrechte begrenzt; ein in solche Rechte ohne Zustimmung der nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer eingreifender Beschluss ist schwebend unwirksam.

b) Zu   den   unentziehbaren,   aber   verzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehört das sog. Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) - sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender - Leistungspflichten schützt.

Hintergrundinformationen:
Die Gemeinschaftsordnung darf grundsätzlich nicht durch einen Beschluss geändert werden. Gemäß § 23 Abs. 1 WEG können jedoch auch solche Angelegenheiten durch Beschluss geordnet werden, über die nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können. Eine derartige kompetenzbegründende Vereinbarung wird Öffnungsklausel genannt. Sie ermöglicht die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss.

In dem zu entscheidenden Fall beinhaltet die Teilungserklärung eine Öffnungsklausel. Diese erlaubt den Wohnungseigentümern mehrere Regelungen der Teilungserklärung im Beschlusswege mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Die qualifizierte Mehrheit wurde bei der Beschlussfassung erreicht. Es war auch unumstritten, dass der Gegenstand der Beschlussfassung unter die Geltung der Öffnungsklausel fällt. Eine Eigentümerin hat den Beschluss über die Übertragung der Leistungspflicht auf die Sondernutzungsberechtigten (Gartenpflege und Reinigungsarbeiten auf den Sondernutzungsflächen) angefochten und verlangt, ihn für ungültig zu erklären.

Aus der Entscheidungsbegründung:
Der Bundesgerichtshof hat der Klägerin recht gegeben und damit begründet, dass die Öffnungsklausel lediglich die Funktion hat, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren, ohne sie materiell zu rechtfertigen. Deshalb ist ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel nicht schon dann rechtmäßig, wenn er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Vielmehr sind insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Erst bei der Frage, ob die beschlossene Änderung den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht, ist den Wohnungseigentümern aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter –lediglich durch das Willkürverbot beschränkter – Gestaltungsspielraum eingeräumt. Fundamentale Schranken ergeben sich zunächst aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242 BGB und den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu u.a. unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören. Denn was selbst durch Vereinbarung nicht geregelt werden könnte, entzieht sich auch einer Regelung im Beschlusswege aufgrund einer Öffnungsklausel; ein gleichwohl gefasster Beschluss ist nichtig. Darüber hinaus wird die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht – worauf es in dem Fall entscheidend ankommt – auch durch Individualrechte begrenzt, die zwar ebenfalls zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören, die aber verzichtbar sind.

Ein in solche Rechte eingreifender Beschluss ist nur dann wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen; bis dahin ist er schwebend unwirksam. Die endgültige Unwirksamkeit des Beschlusses tritt ein, wenn die Zustimmung verweigert wird.

Zu den in diesem Sinne mehrheitsfesten Rechten gehört das dem Verbandsrecht immanente Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) - sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender – Leistungspflichten schützt. Der angegriffene Beschluss verstößt gegen das Belastungsverbot und ist (wegen der fehlenden Zustimmung) unwirksam.

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